Berliner Testament: Eine Nachlassgestaltung mit einigen Vorteile, aber auch versteckten Gefahren

VERERBEN. Für die Gestaltung des Nachlasses bestehen verschiedene Möglichkeiten. Gerade Ehepaare nutzen dazu oft das so genannte Berliner Testament. Dabei setzen sie sich gegenseitig als AlleinerbeDer Kurs wird in Zusammenarbeit mit dem Haus- und Grundbesitzerverein Kerpen und Umgebung abgehalten.

Als Berliner Testament bezeichnet man im deutschen Erbrecht ein gemeinschaftliches Testament von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern, in dem diese sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und bestimmen, dass nach dem Tod des Längstlebenden der Nachlass einem Dritten zufallen soll. Zweck des Berliner Testaments ist es, sicherzustellen, dass der überlebende Ehepartner den Nachlass des verstorbenen Ehepartners alleine erhält. Der Ausschluss der Schlusserben (häufig die gemeinsamen Kinder) von der nachrangigen Erbfolge wird diesen schmackhaft gemacht, indem im Testament bestimmt wird, dass diese nach dem Tod des Längstlebenden Alleinerben werden.

Einfach ausgedrückt bedeutet dies, dass bei Ehegatten mit zwei Kindern die Ehegatten sich zunächst gegenseitig bedenken, für den Todesfall des Zuerstversterbenden daher die Kinder von der Erbfolge ausschließen. Im Gegenzug dazu wird aber angeordnet, dass im Todesfall des Längstlebenden die zunächst ausgeschlossenen Kinder dann alles bekommen sollen.

In dieser Konstruktion verfügen die Ehegatten dann häufig Folgendes: „Gemeinschaftliches Testament Wir, die Ehegatten Anton und Antonia, setzen hiermit den Längstlebenden von uns zum Erben des Zuerstversterbenden ein. Wir bestimmen, dass Erbe des Längstlebenden von uns unsere Kinder Max und Moritz zu gleichen Teilen sein sollen.

Diese schon seit Jahren gebräuchliche und einfach anmutende Formulierung birgt jedoch zahlreiche Probleme, die immer wieder Teil von Rechtsstreitigkeiten sind, mit denen sich auf Erbrecht spezialisierte Anwälte befassen müssen.

Es ist dann etwa eben nicht möglich, Kinder im Fall des Todes des Zuerstversterben von jeder Vermögensteilhabe auszuschließen. Den Kindern verbleibt immer noch der Pflichtteil, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt und der innerhalb von drei Jahren nach dem Tod des Zuerstversterbenden geltend gemacht werden kann. Dieser Pflichtteilsanspruch ist ein auf Geld gerichteter Anspruch, den der Pflichtteilsberechtigte vom überlebenden Elternteil sofort fordern kann.

Um den Kindern die Geltendmachung des Pflichtteils zu erschweren, wird häufig eine Pflichtteilsstrafklausel verwendet. Im Testament wird dann nämlich aufgenommen, dass für den Fall, dass ein Kind nach dem Tod des Zuerstversterbenden seinen Pflichtteil fordert, dieses auch im Fall des Todes des Längstlebenden auf den Pflichtteil gesetzt werden soll. Hier sollte klar definiert werden, ob dieser Ausschluss automatisch eintreten soll oder ob dieser Ausschluss dem Überlebendem vorbehalten bleiben soll. Bereits eine ungeschickte Pflichtteilsstrafklausel führt – jedenfalls bei einem Automatismus – dazu, dass im Regelfall ein Erbschein beantragt werden muss, weil nicht ersichtlich ist, ob eines der Kinder beim Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil gefordert hat oder nicht.

Der Längstlebende sollte noch abweichen dürfen

Darüber hinaus gibt es auch Fälle, in denen es beispielsweise aus steuerlichen Erwägungen sinnvoll ist, seinen Pflichtteil zu fordern und hier möglicherweise sogar Einvernehmen mit dem längstlebenden Ehegatten besteht. Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, keine automatische Strafklausel zu verwenden, sondern dem Längstlebenden das Recht einzuräumen, auch nach dem Tod des Zuerstversterbenden entweder in vollem Umfang oder aber nur zu Gunsten der ehegemeinschaftlichen Kinder und deren Abkömmlingen von der zunächst geplanten Erbfolge nach dem Tod des Längstlebenden abzuweichen.

Auch muss bei Berliner Testamenten unbedingt darauf geachtet werden, ob die Verfügungen für den ersten und auch für den zweiten Todesfall jede für sich bindend sein sollen. Insbesondere für den zweiten Todesfall ist es häufig streitig, ob eine solche Bindung besteht, wenn hierzu Angaben fehlen. Der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung im Rahmen eines Berliner Testaments ist nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten nicht mehr möglich (nach § 2271 Abs. 2 BGB).

Dies führt zu dem Problem, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Partners an das Testament gebunden ist und es grundsätzlich nicht mehr zu Gunsten einer anderen Person ändern kann. Ob dies im Einzelfall gewollt ist, muss unbedingt mit den Beteiligten abgesprochen werden. Nahezu jeder dritte Rechtsfall vor den Landgerichten handelt um Probleme der Wechselbezüglichkeit, die dann durch Auslegung ermittelt werden muss. Dies kann durch eine geschickte Gestaltung und Anordnung vermieden werden.

Insofern empfehlen sich Formulierungen im Testament wie: „Wir stellen klar, dass nur die Verfügungen für den ersten Todesfall bindend sein sollen. Die Bestimmungen für den zweiten Todesfall sollen nur einseitig testamentarische Wirkung entfalten, mithin von einem Jeden von uns – auch nach dem Tod des Zuerstversterbenden – in vollem Umfange (oder nur zu Gunsten ehegemeinschaftlicher Kinder etc.) geändert werden dürfen“.

In steuerlicher Hinsicht drohen Nachteile

Vorsicht ist geboten in steuerlicher Hinsicht beim Berliner Testament. Jedes Kind hat nach derzeitigem Erbschaftsteuerrecht gegenüber seinen Eltern einen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro. Die Enkelkinder haben einen Freibetrag von 200.000 Euro.

Das Berliner Testament führt dazu, dass der Freibetrag von einem Kind in Höhe von summiert 800.000 Euro auf die Hälfte beschränkt wird, da das gesamte Vermögen bei einem Ehegatten „gebündelt“ wird. Dies bedeutet, dass die übrigen 400.000 Euro versteuert werden müssen.

Auch eine Vor- und Nacherbfolge kann steuerlich bedenklich sein. Denn obwohl der Nacherbe vom Haupterben erbt und nicht vom Vorerben, findet steuerlich eine doppelte Besteuerung statt.

Schlussendlich sollte beim Berliner Testament noch diskutiert werden, was bei gleichzeitigem Tod oder annähernd gleichzeitigem Tod (zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall) geschehen soll. Gerade wegen der eben beschriebenen steuerlichen Nachteile dürfte es Sinn machen, für einen solchen „Katastrophenfall“ anzuordnen, dass beide Eltern sich nicht erst gegenseitig bedenken, sondern in diesen Fällen direkt die Schlusserbfolge eintritt.

Infolgedessen ist das Berliner Testament zwar eine gerne genommene Gestaltungsform. Diese ist aber in Einzelfällen für die Ehegatten möglicherweise sehr nachteilig und birgt zum Teil erhebliche Stolpersteine, weshalb wir dringend empfehlen, sich vor Abfassung eines Berliner Testaments zumindest anwaltlich beraten zu lassen. Die Anwälte können vor Gericht auftreten (die Notare in diesem Bezirk zumindest nicht). Zudem finden Sie bei Rechtsanwälten so genannte Fachanwälte, die sich auf bestimmte Bereiche – z.B. Familienrecht und Erbrecht – spezialisiert haben und sich stetig fortbilden müssen.

Von Dr. Jur. Volker Drexler 

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